Seriously mad but quite normal: Ein Stunde im Leben von Frau H. - Teil 2

22. August 2013

Ein Stunde im Leben von Frau H. - Teil 2

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Jener Schüler, den Frau H. so energisch der Klasse verwiesen hatte, stand eine Weile lustlos vor der Tür herum. Dann beschloss er, erst einmal eine Zigarette zu rauchen, wozu er diesmal glücklicherweise nicht auf die Toiletten zu gehen brauchte. Er benutzte den rückwärtigen Ausgang, da dieser weder von den vielen Klassenzimmern, noch vom Direktorat oder Sekretariat aus einzusehen war. Da würde er in aller Ruhe eine qualmen. Nachdem er seiner Lust gefrönt hatte, meldete sich der Hunger. Und so besorgte er sich am Verkaufsstand, den der Hausmeister der Schule betrieb, zwei belegte Brötchen und eine Flasche Cola. Damit ausgerüstet begab er sich wieder vor das Klassenzimmer, wo er genüsslich seine erste Mahlzeit des Tages einnahm. 

Plötzlich hörte er Schritte auf der Treppe. Da kam, wie nicht anders zu erwarten, - natürlich! - der Schulleiter auf ihn zu. Lächelnd näherte er sich und fragte auf seine gutmütige Art: "Sag mal, was machst Du denn hier draussen? Wieso bist Du nicht in Deiner Klasse?" Mit unschuldig dackeltreuem Blick erwiderte ihm der Schüler: "Nun, ich muss, Herr Direktor! Frau H. hat mich beim Betreten der Klasse des Zimmers verwiesen! Wieso, weiß ich nicht recht." Der Direktor lächelte immer noch, schüttelte leicht irritiert sein Haupt und meinte: "Ach was, das ist nicht gut. Du gehst jetzt wieder in die Klasse!" Sprachs und ging weiterhin lächelnd seiner Wege. Der Schüler befolgte die Anweisung seines Schulleiters mit einem sehr höhnischen Grinsen, jedoch wie selbstverständlich. Er betrat den Klassenraum und ging zu seinem Platz, um seinen neugierigen Kameraden von seinem Erleben leise zu berichten. 

Plötzlich schien ihn Frau H. auch wahrzunehmen. Sie runzelte die Stirn und krähte ihn an: "Was willst Du hier? Ich habe gesagt, Du Störenfried sollst die Klasse verlassen. Also mach', dass Du rauskommst!" Der seltsam veränderte Schüler erhob sich, lächelte sie an und ging mit einem überfreundlichen "Wie Sie meinen, Frau H. !" hinaus. Die Lehrerin verspürte in sich einen überwältigenden Rausch der Macht. Diesen Rabauken hatte sie geknackt. Dem hatte sie Manieren beigebracht. Dieser sonst so renitente Kerl war jetzt fromm wie ein Lämmchen. Das Gefühl des Sieges verursachte Frau H. ein angenehm erregendes Kribbeln am ganzen Körper.

Vor der Tür lehnte der Hinauskomplimentierte mit einem Grinsen, aber gelangweilt, vor dem Fenster. Doch er war guten Mutes, denn in knapp fünfzehn Minuten würde ohnehin Pause sein. Und den Großteil dieser ihn endlos langweilenden Stunde hatte er - wie er fand - höchst angenehm und ebenso komfortabel wie nützlich verbracht. Da erklangen wieder - diesmal vom anderen Ende des Flures - näher kommende Schritte auf der Treppe.

Schlussteil folgt in Kürze

© drago 2013 

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