Seriously mad but quite normal: Neulich

13. November 2014

Neulich

oder

In der Nachbarschaft


Manchmal hat der Mensch ja Einfälle, denen vorne quasi der 18. Buchstabe fehlt, Gedankengänge, die sich bei empirischer Betrachtungsweise, also eben a posteriore, als durchweg, nun sagen wir, etwas "seltsam" herausstellen. Nun bin ich, wie ich aufs Höchste erstaunt gezwungen war, festzustellen, auch nicht gegen derlei Unbill gefeit. In einem Anfall von plötzlicher mentaler Verfinsterung fasste ich kürzlich frohgemuten Herzens den Entschluss, ein wenig die Straße entlang zu flanieren. Welcher Teufel mich da nun geritten hat, ließ sich nicht mehr feststellen, weil der Unhold nach getaner Untat nicht nur seinen Sattel wieder mit sich zu nehmen gewillt, sondern auch keinerlei sonstige Spuren zu hinterlassen bereit gewesen war. Aber das nur nebenbei. Wie ich - einer der großen Flaneure vor dem Herrn - mich also in durchaus fröhlicher und entspannter Grundstimmung so alert, aber gemächlich, den asphaltbedeckten und mit allerlei Alterserscheinungen ausgestatteten Flanierstreifen mit der - Und das hätte mir eine Warnung sein sollen, ja müssen! - verräterischen Bezeichnung "Trottoir" entlangbewegte, wobei hierzu anmerkend eingeflochten sei, dass selbige Benamung nicht etwa auf das Wort "Trottel" (was in jenem Falle aber durchaus naheliegend gewesen wäre), sondern auf das heutzutage nur noch seltenst gebrauchte, gleichwohl schöne Verbum "trotten", will heißen "gemütlich schlendern, langsam dahingehen", zurück zu führen ist, als ich also so "vor mich hin" trottete, schlich sich eine Bank in mein bebrilltes Sichtfeld. Nun, nicht etwa, wie man zu meinen geneigt sein könnte, ein Gebäude, das dem gemeinen Dealer des Euro oder sonstiger Währungen als Ort dient, an dem er sein von nicht geringer, krimineller Energie befeuertes Geschäft und monetäres Wesen treibt, sondern vielmehr drängte sich ein aus Metallfäden feinst gewirktes Sitzmöbel in Kaninchengitteroptik, dem eine neckische, dunkelblaue Lackierung eignete, in meine Pupille, mit der hinterlistigen Absicht, meinem Gesäß eine halbwegs bequeme Possibilität zu gemütlichem Verweilen schamlos in Aussicht zu stellen. Woraufhin sich dieser Körperteil, nämlich mein Hintern - und daran können sie ablesen, wo sich zu besagtem Zeitpunkt mein Verstand befand, - dem lackierten Grünstreifensitzmöbel auch sofort sehr zielgerichtet näherte, wobei er in mir - auf welch magisch-verborgene Weise auch immer - versuchte, den Wunsch aufkeimen zu lassen, mich auf dem lockenden Gitterrost eine geraume Weile höchst bräsig niederzulassen. Nun, wenn das untere Ende der Wirbelsäule die Stirn hat, einem seinen Willen aufzudrängen, erkennt man nicht nur, dass mancher A.... eben doch ein Gesicht hat, sondern man kann auch an drei, vier, fünf oder mehr Fingern abzählen, was am Ende hinten dabei herauskommt, nämlich nichts, was man in die Hände, geschweige denn in den Mund nehmen möchte. All den Erkenntnissen aus dem Hier und Jetzt zum Trotz, war ich damals, aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen, gewillt, meinen körperlichen Sitzhügeln nachzugeben, und mich sitzenderweise auf dem ins Auge gefassten Orte zu arrangieren. Ich nahm also Platz, zumal dieser auch überaus  reichlich zur Verfügung stand, da die Sitzgelegenheit ohne weiteres neben mir auch noch mindestens zwei anderen Kerlen meines nun wirklich barocken Kalibers die Gelegenheit dazu geboten hätte. Und kaum hatte ich den Ruhegelüsten meines Phlegmas nachgegeben, wurde ich Zeuge eines nun wahrhaft ungewöhnlichen Ereignisses, obwohl hier die Bezeichnung "Ereignis" den Sachverhalt nur relativ unzureichend wiedergibt, weil sich für den unbeteiligten Beobachter scheinbar nichts ereignete, das Ereignis bestand nämlich weitgehend darin, dass eine nachgerade totale Absenz jeglicher Aktivität zu verzeichnen war, ein Umstand, der in seiner epischen Breite und philosophischen Tiefe meinen zu dieser Zeit auf Entspannung fokussierten Geist hoffnungslos überforderte. Und so ist mir bis heute nicht klar, was  mir in jenem Zustand überrumpelten Sitzens da durch die Augäpfel den Geist schoss, zumal auch nicht restlos zu klären war, in welchen unendlichen Weiten mein Verstand sich verirrt hatte. So war man geneigt, dem vordergründigen Fragen nach einem Warum nachzugeben, was aber in der Folge auf allen Ebenen zu keinen greifbaren Ergebnissen führte, doch darüber, und was dies in mir auslöste, bin ich nun ernsthaft willens, im Rahmen einer seriösen Behandlung meiner geplagten Psyche, mit meinem Therapeuten mich verbal auseinanderzusetzen.



© drago 2014 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Irre Drachen freuen sich über verrückte, ernstgemeinte, kritische, lobende oder sonstige Kommentare, wenn sie nicht anonym eingehen. Danke für den Kommentar!